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Methodik Juristische Methodik: Praxis des Rechts
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
übersicht
Sprache und Recht.
Sprache und Literatur, Jg. 29, H. 81, 1998
Inhaltsübersicht

Birgit Feldner, Doppelconference oder Wenn Wächter einander bewachen

Rainer Wimmer, Zur juristischen Fachsprache aus linguistischer Sicht

Dietrich Busse, Rechtssprache als Problem der Bedeutungsbeschreibung. Semantische Aspekte einer institutionellen Fachsprache

Walter Grasnick, Ständige Rechtsprechung

Peter Schiffauer, Gewalt der Muttersprache

Thomas-M. Seibert, Rechtsnachrichten in Joseph Roths Sprache

Friedrich Müller, Sätze

Diskussion: Rechtslinguistik

Vorwort

Die Sprache des Rechts bestimmt unser Alltagsleben und unseren öffentlichen Sprachgebrauch in einem Ausmaß, das von Sprachwissenschaftlern und von Literaturwissenschaftlern noch nicht recht wahrgenommen, geschweige denn thematisiert und bearbeitet worden ist. Die Juristensprache ist in unserer Gesellschaft nicht einfach nur eine stilistische Variante der Gemein- bzw. Alltagssprache, deren Schwierigkeiten und Verständnisbarrieren mit oberflächenbezogenen Verbesserungen und Sprachfertigkeiten behoben werden könnten. Das Entscheidende ist, dass die Juristensprache bis in unseren Alltag hinein unsere Wirklichkeit bestimmt und oft geradezu determiniert. Die Juristensprache konstituiert und verändert die konstitutionellen Gegenstände und Sachverhalte unserer Lebenswelt. Wir kaufen, verkaufen, schließen Verträge, schließen Ehen, erheben Einsprüche gegen Verwaltungsentscheidungen, mieten Wohnungen usw. nach Vorgaben, die in Normtexten (Gesetzen, Vorschriften, Gerichtsentscheidungen usw.) der Juristensprache niedergelegt sind. In der Juristensprache liegen Ansprüche, das gesellschaftliche Leben zu ordnen und zu verändern. Damit beschäftigen sich die Beiträge dieses Heftes.

Die Beiträge sind aus einer linguistisch-juristischen Arbeitsgruppe heraus entstanden, die sich seit 1985 in Heidelberg und Mannheim interdisziplinär etabliert hat ("Heidelberger Arbeitgruppe"). Initiatoren waren Friedrich Müller (Jurist an der Universität Heidelberg) und Rainer Wimmer (Germanist an der Universität Heidelberg, heute an der Universität Trier). Heute gehören zu der Arbeitsgruppe auch Jurist/innen und Linguist/innen aus verschiedenen anderen Ländern (z. B aus Österreich und aus Luxemburg). Die "Heidelberger Arbeitsgruppe" hat 1989 die "Untersuchungen zur Rechtslinguistik" publiziert (Friedrich Müller (Hrsg.): Untersuchungen zur Rechtslinguistik. Berlin: Duncker und Humblot), die national und international als rechtslinguistische Methodenstudien rezensiert wurden. Der Arbeitsgruppe ging und geht es um rechtslinguistische Methodenfragen wie: Was sind die gemeinsamen Grundlagen von juristischer und linguistisch-literaturwissenschaftlicher Interpretationslehre? Was haben juristische Methodik (z. B. die "Strukturierende Rechtslehre" von Friedrich Müller) und die praktische Semantik der Linguistik zur gegenstands- und tatsachenschaffenden Kraft der Juristensprache zu sagen?

Das vorliegende Heft enthält folgende Beiträge: Birgit Feldner (Juristin an der Universität Wien) behandelt die aktuelle rechtliche Auseinandersetzung um Schadensersatz für eine missglückte Sterilisation. Rainer Wimmer (Linguist an der Universität Trier) analysiert die juristische Fachsprache aus linguistischer Sicht. Dietrich Busse (Linguist an der Universität Köln) behandelt die semantischen Dimensionen der Rechtssprache. Walter Grasnick (Jurist, Universität Marburg) beschäftigt sich mit Problemen der ständigen Rechtsprechung. Peter Schiffauer (Jurist, Luxemburg) hat die Gewalt der Muttersprache zum Thema. Thomas-M. Seibert (Jurist in Frankfurt am Main) analysiert Rechtsbemerkungen bei Joseph Roth. Friedrich Müller (Jurist an der Universität Heidelberg) präsentiert Aphorismen zum juristischen Entscheidungssprachgebrauch, die mit persönlicher Autorisierung Jacques Derrida gewidmet sind. Den Abschluss bildet ein Gespräch über Rechtslinguistik, das die Heidelberger Arbeitsgruppe am 15. 5. 1998 über rechtslinguistische Fragestellungen geführt hat. Rechtssprachlich Interessierten kann dieses Gespräch gut als Einstieg in die Thematik wie auch als Anregung für eigene, weitergehende Überlegungen dienen. Interdisziplinarität ergibt sich in einem Gespräch, allerdings in einem gemeinsamen Gespräch, das Jahre braucht, vielleicht Jahrzehnte.

Es gibt einen roten Faden, der sich durch alle Beiträge hindurchzieht. Es ist die staatlich autorisierte Entscheidungstätigkeit der Juristen in unserer Gesellschaft. Alle sprachlichen Handlungen der Rechtsarbeiter haben einen gemeinsamen Fluchtpunkt: tatsächlich aufgetretene und eventuell in Zukunft auftretende Streitfragen in der Gesellschaft einer Entscheidung zuzuführen und - wenn möglich - auch zu lösen. So etwas geht nur in den wenigsten Fällen geradlinig und ohne Komplikationen. Selbst letztinstanzliche Gerichte müssen zuweilen in der offenen Diskussion verharren und können nicht so ohne weiteres zu einem Schlusspunkt kommen; dafür liefert der Beitrag von Birgit Feldner ein anschauliches Beispiel. Oft versagen alle "Rechtsquellen" (vgl. den Beitrag von Walter Grasnick). Rechtsarbeiter greifen in ihrer Entscheidungsnotwendigkeit und -not oft zu Bedeutungskonstruktionen, die für Sprachwissenschaftler nur schwer handhabbar und einordenbar sind (vgl. den Beitrag von Dietrich Busse). Der einfache, nicht fachlich vorbelastete Muttersprachler steht den juristischen Konstruktionen oft hilflos gegenüber (vgl. die Beiträge von Peter Schiffauer und Friedrich Müller). Vielleicht können Juristen und andere Beteiligte noch mehr von den Beobachtungen lernen, die Schriftsteller und Literaten zur Sprache der Juristen mitgeteilt haben (vgl. den Beitrag von Thomas-M. Seibert).
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