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Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
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Sens-clair-Doktrin
Schon frühere Untersuchungen zur juristischen Sprache und Begriffsbildung haben gezeigt, dass das Ideal der Eindeutigkeit juristischer Begriffe und Bezeichnungen, dass die Vorstellung, auf dem Weg sprachtechnischer Präzision eine hinreichende Sicherheit der Normkonkretisierung erreichen zu können, die Eigenart der Normativität wie der gerichtlichen (und sonst juristischen) Entscheidung verkennt. Normativität erweist sich nur im Regeln konkreter Rechtsfragen. Sie wird nur im Vorgang solchen Regelns gefordert und damit wirksam. Ein Normtext ist nicht (nur) deshalb interpretationsbedürftig, weil und insofern er nicht „eindeutig", nicht „evident", weil und insofern er „unklar" ist, sondern vor allem deshalb, weil er auf einen (wirklichen oder erdachten) Fall angewandt werden muss. Ein Normtext mag auf dem Papier „klar" oder gar „eindeutig" aussehen. Schon der nächste praktische Fall, auf den er angewandt werden soll, kann ihn seiner Evidenz berauben, kann ihn höchst unklar erscheinen lassen. Ohne ihnen zugeordnete (tatsächliche oder erfundene) Fälle können Normtexte überhaupt nicht zureichend beurteilt werden; auch nicht daraufhin, ob sie klar oder unklar sind. Das erweist sich immer erst beim Versuch der Konkretisierung. Bei dieser wird nicht etwas Fertiges auf einen gleichfalls als abgeschlossen verstehbaren Sachverhalt angewandt. Der Gesetzespositivismus gab und gibt das vor. Die Rechtsnorm ist aber nicht substantiell im Normtext vorgegeben. Durch wechselseitige Präzisierung und Überprüfung des Normtextes am Sachverhalt und des (weder isolierbaren noch in diesem Sinn „abgeschlossenen") Sachverhalts am Normtext wird in einem durchgehend normtext-orientierten Verfahren mit Hilfe aller hier erörterten Konkretisierungselemente herausgearbeitet, was im Einzelfall Rechtens sein soll. Ein Rechtssatz funktioniert nicht mechanisch. Die „sens-clair- Doktrin" fremder Rechtsordnungen, die scheinbar eindeutige Rechtsbegriffe als nicht auslegungsfähig behauptet, kommt zu dieser Behauptung selbst nur durch deutende Vorwegnahme des möglichen Norm-Sinns.

„Subsumtion" ist nur scheinbar ein formallogisches, in Wahrheit ein durch das jeweilige rechtsdogmatische Vorverständnis inhaltlich bestimmtes Verfahren.

JM I, Rn. 258
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