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Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
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Typologie der Rechtsnorm
Eine Rechtsnorm ist ein sachbestimmtes Ordnungsmodell von strukturierter Art. Die Dichte, Genauigkeit, Bestimmbarkeit ihrer Elemente, kurz: der Grad ihrer Konkretisierbarkeit in geringerer (in Grenzfällen) oder größerer (in der großen Mehrzahl der Fälle) Abweichung vom positivistischen Modell der „Anwendung", „Subsumtion" oder des „Nachvollzugs" einer fertig vorgegebenen Regelung hängt auch von der sprachlichen Struktur des einzelnen Normtextes ab. Die Skala reicht von dem weitgehend determinierbaren Individual- bzw. numerischen Normtext (Fristen, Termine, Form- und bestimmte Verfahrensvorschriften, Art. 22 GG, die Elemente: „wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat" in Art. 38 Abs. 2 GG und „das 40. Lebensjahr vollendet hat" in Art. 54 Abs. l S. 2 GG usw.) bis zu Generalklauseln, die - so Art. 3 Abs. l oder Art. 2 Abs. l GG in der herrschenden Deutung - über einen sachlich umschreibbaren Normbereich aufgrund der Vagheit des Normtextes nicht verfügen. Zwischen diesen Enden der Skala liegen mehr in Richtung auf die determinierbaren Vorschriften die Normtexte des organisatorischen Teils, mehr in Richtung auf die Generalklauseln, aber ohne strukturell mit ihnen gleichgesetzt werden zu können, die Staatsform- und Staatszielbestimmungen und die Grundrechte; ferner die durch typologische Zuordnung zu konkretisierenden sogenannten Standards wie die rechtsstaatlichen Gebote der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit, wie das Prinzip der Bestimmtheit und Geeignetheit staatlicher Eingriffe, wie der aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Gleichbehandlungsgrundsatz und der in seiner normativen Qualität allerdings umstrittene und noch nicht hinreichend belegte „Normalmaßstab bundesfreundlichen Verhaltens". Innerhalb wie außerhalb des Verfassungsrechts stellt die sachliche Unterschiedlichkeit der Normbereiche je eigene Probleme. Das gilt etwa für normativ erfragte Daten der Familien- oder Wirtschaftssoziologie, für sozialgeschichtlich und soziologisch fundierte Rechtsgeschichte und Rechtsvergleiche bei der Konkretisierung zivilrechtlicher Vorschriften; für die Aufhellung strafrechtlicher Normbereiche mit Hilfe von Rechtsvergleichung und Kriminologie; für die Beiträge der Verwaltungswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie und Verfassungsgeschichte im öffentlichen Recht. Die Unterschiede der Teildisziplinen der Rechts- Wissenschaft gründen nicht zuletzt in der verschiedenen sachlichen Eigenständigkeit der Normbereiche. Bei Formvorschriften, bei Verfahrens- und Organisationsnormen, bei Verweisungsvorschriften, Legaldefinitionen und bei Regelungen mit numerisch oder individuell determinierter rechtsdogmatisch-begrifflicher Aussage verschwinden die Normbereiche hinter den Normprogrammen. Sie liefern der Praxis meist keine zusätzlichen Gesichtspunkte für die Konkretisierung. Je stärker sachgebunden dagegen eine Norm ist, je mehr nicht-rechtserzeugte Bestandteile ihr Normbereich enthält, desto stärker bedarf ihre Konkretisierung auch der Ergebnisse von Normbereichsanalysen. Bei verfassungsrechtlichen Vorschriften sind die Normbereiche oft ergiebig und für die Konkretisierung von entscheidendem Gewicht. Daher ist verfassungsrechtliche Spruchpraxis von beispielhaftem Erkenntniswert. An ihr lässt sich die Wirkung ablesen, die Elemente des Normbereichs bei bestimmter Fallgestaltung für die anstehende Entscheidung wie für die Entwicklung verfassungsrechtlicher Dogmatik gewinnen können; lässt sich ferner überprüfen, wieweit Gerichte und andre ihre Entscheidungen veröffentlichenden Stellen der Rechtspraxis und wieweit die Rechtswissenschaft beim Rückgriff auf sachliche Gegebenheiten Faktoren des Normbereichs oder nur solche des Sachbereichs herangezogen haben, wieweit sie also zulässig im Spielraum des Normprogramms oder unzulässig über die rechtsstaatliche Grenzwirkung des Normprogramms bzw. des Normtextes hinaus entschieden haben. Die Besonderheit der Struktur einer Norm oder eines Normtyps ist aber eben im Wortlaut der Vorschriften nicht substantiell enthalten, ist dort auch nicht zuverlässig oder abschließend abgebildet. Auch in diesem Zusammenhang hat die Formulierung mehr oder weniger aufschlussreich andeutenden, evozierenden Charakter. Mit dieser Einschränkung liefert der Normtext wichtige Indizien für Eigenart und Umfang des Normbereichs wie für das Mischungsverhältnis der Normelemente.

JM I, Rn. 240 ff.
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