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Rechtserkenntnismodell |
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Die Rückzugsbewegung des Rechtserkenntnismodells vom Gesetz in immer weniger greifbare Sphären wiederholt sich in Ansätzen, welche die „Ergebnisse" der neuen Gerechtigkeitsdiskussion mit den Elementen der von Larenz entwickelten traditionellen Wertungsjurisprudenz verbinden wollen. Programmatisch ist dabei der Titel „Die Rechtsfindung contra legem", wonach sogar noch dem richterlichen Gesetzesbruch ein Gegenstand der Rechtserkenntnis unterschoben werden soll. Die Dramaturgie des Rührstückes entfaltet sich in drei Akten: im ersten treten die Schurken Relativismus und Nihilismus auf und werfen ihre dunklen Schatten auf die stabil und gesichert scheinende Existenz des Rechts. Im zweiten kommt es zur Krise, worin der Gegenstand der Rechtserkenntnis aufs höchste bedroht erscheint. Aber dann im dritten Akt wird unser Gegenstand zuguterletzt von der Idee der Gerechtigkeit gerettet.
Es ist die praktische Unmöglichkeit, das Modell einer linear kausalen Determination richterlichen Sprechens durch das Gesetz einzulösen, welche die alte Schule zur Entwicklung einer dualistischen Konzeption der Rechtsarbeit zwingt. Danach gibt es einerseits die festen Regeln des Gesetzespositivismus, welche die Reichweite der Gesetzesbindung definieren; und andererseits einen Bereich der Rechtsfortbildung, in dem die Regeln des Gebrauchs gesetzlicher Begriffe erst hergestellt werden müssen. Mit der Behauptung einer noch hinter dem Gesetzestext liegenden zweiten und höherrangigen Ordnung der Gerechtigkeit soll der Bereich der Rechtsfortbildung aber schließlich doch wieder in ein Subsumtionsmodell auf erweiterter Grundlage eingeschrieben werden. Damit die bleibt die herkömmliche Auffassung im paradigmatischen Rahmen der vom Gesetzespositivismus entwickelten statischen Rechtsanwendungslehre. Die dynamischen Prozesse der Rechtsverwirklichung gelten nur als vordergründiges Gewimmel, hinter dessen scheinbarer Zufälligkeit für den Kenner die gerechte Ordnung sichtbar wird.
Die richterliche Tätigkeit wird damit in die beschützende Werkstatt des Rechts eingeschlossen. Hier ist es dem Richter erlaubt, was immer die Parteien auch einwenden mögen, den objektiv vorgegebenen Ansprüchen höherer Art beizupflichten. Dies ist eine außergewöhnliche Sicherheit in einer Welt, die sich ansonsten ständig verändert. Für diese Sicherheit ist die Gerechtigkeit unverzichtbar.
JM I, Rn. 143, 147< |
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