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BVerfG zum Normbereich
Die methodische Rolle des Normbereichs als Wirklichkeitsmodell, welches die Konkretisierung der Norm erst ermöglicht, wird in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum rechtlichen Gehör deutlich: "Generell muss das Verwaltungsgericht bei der Handhabung der richterlichen Fristsetzung berücksichtigen, dass auch bei einem gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Verfahrensbevollmächtigten häufig eine gewisse Zeit vergeht, bis dieser von der Fristsetzung tatsächlich Kenntnis erlangt. Hinzu kommt, dass auf Grund der typischerweise bestehenden Arbeitsbelastung eines Bevollmächtigten durch andere Verfahren, Beratungen und sonstige berufliche Tätigkeiten nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Zeit bis zum Ablauf der Frist allein zur Bearbeitung und Klärung der Tatsachen- und Rechtsfragen des konkreten Verfahrens aufgewandt werden kann." (BVerfG) Auch bei einer bloß technischen Regelung wie der Fristsetzung ist die Heranziehung des in dem Text kodifizierten Wirklichkeitsmodells nicht verzichtbar.

Es zeigt sich in der Rechtsprechung des BVerfG aber auch, dass nicht jede Veränderung der Wirklichkeit auf die Formulierung der Rechtsnorm durchschlägt. Häufig werden solche Veränderungen vom Normprogramm gerade nicht aufgenommen und erweisen sich damit als bloße Elemente des Sachbereichs, der für die weitere Konkretisierung keine Rolle spielt. Bei der Entscheidung über die neu geregelte Vermögensstrafe in § 43 a StGB rechtfertigt das Minderheitsvotum die Erforderlichkeit einen weiten Strafrahmens mit raschen Veränderungen der kriminologischen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen, die eine flexible Reaktionsmöglichkeit nötig machen. Dagegen misst das Mehrheitsvotum diese tatsächlichen Veränderungen am Normprogramm der Verfassung und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Abweichen von den strengen Vorgaben der Verfassung an die Regelung von Strafbarkeitsfolgen nicht möglich ist. Diese Umstände gehören damit in den Sachbereich, nicht aber in den Normbereich des Art. 103 Abs. 2 GG. Ebenso sind Vorteile des Wettbewerbers aus der fehlenden Transparenz des Marktes zwar zum Sachbereich des Art. 12 GG zu rechnen, nicht aber zu dessen Normbereich. Auch zählt das Argument, der Beamte sei der Privatpatient schlechthin, sicher zum Selbstverständnis der Betroffenen, wird aber vom Normprogramm des Art. 33 Abs. 5 nicht aufgenommen, so dass Veränderungen in diesem Bereich durch den Gesetzgeber möglich sind. Die von den neuen Medien geschaffenen Kommunikationsbedingungen verändern zwar auch die Beziehung zwischen Richter und Anwalt, aber diese Veränderung schlägt normativ nicht so durch, dass das Prinzip der Singularzulassung beim BGH durchbrochen werden müsste.

Nur noch selten verwendet das Gericht den Terminus Natur der Sache. Vgl. als Beispielsfall BVerfGE 106, 201, 206.

Wie fast immer bei Entscheidungen über die Kompetenztitel des Bundes im Rahmen der Gesetzgebung findet sich eine ausführliche Analyse des Normbereichs in der Altenpflegeentscheidung BVerfGE 106, 62 ff., 70 ff., Normbereichsanalyse der aktuellen und künftigen Situation der Altenpflege, auch soweit dieser Bereich rechtskonstituiert ist. Verwertung dieser Argumente im Urteil S. 117 ff. und 120 ff. Auffällig ist weiterhin die Durchführung einer Normbereichsanalyse auch im Rahmen der genetischen Auslegung, S. 165. Die Abhängigkeit des grundrechtlichen Schutzes von den technischen Möglichkeiten zeigt sich auch in der Entscheidung zu der Frage, ob eine rechtswidrige Nutzung von Mithöreinrichtungen beim Telefonieren durch Private zu einem Beweisverwertungsverbot vor Gericht führt. Hier bestätigt sich wieder, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts mit konstituiert wird durch die technischen Eingriffsmöglichkeiten. Vgl. BVerfGE 106, 28. Normbereichsanalyse bei Folgenabwägung im Rahmen der einstweiligen Anordnung: BVerfGE 106, 359, 367; 106, 369, 374 f. Normbereichsanalysen finden sich z. B. auch in folgenden Entscheidungen: BVerfGE 103, 271, 291; 103, 310, 319; 103, 392, 397, 402; 103, 44, 75; 103, 21, 36; 104, 373, 393.

JM I, Rn. 67d
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