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Normativität als Gegenstand der Methodik |
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Die in Gesetzblättern und Gesetzessammlungen stehenden Wortlaute von Vorschriften, also die Normtexte, sind nicht normativ. Sie sind unfähig, den jeweils vorliegenden konkreten Rechtsfall verbindlich zu lösen. Sie sind (noch) nicht-normative Eingangsdaten des Konkretisierungsvorgangs. Der an Gesetz und Verfassung gebundene Jurist ist verpflichtet, sie als Eingangsdatum einzuführen, sofern er sie für im Fall einschlägig hält. Dieser Sachverhalt wird mit dem Begriff der „ Geltung " erfasst.
Normativ sind dagegen die im Verlauf des Konkretisierungsvorgangs erarbeiteten Rechts- und Entscheidungsnormen. Das Besondere, das diesen Regelungskomplexen zugeschrieben wird, die Normativität, ist nicht eine Eigenschaft von Texten. Wie die Analyse der Praxis zeigt, ist sie ein strukturierter Vorgang. Soll Normativität und damit die Eigenart des Rechts untersucht werden, so ist die Struktur der Regelungskomplexe, die im Ausgang von Normtexten und Fall methodisch gebildet werden, zu erforschen. Die Untersuchung des Verhältnisses der Normativität zu Normtext und Rechts- bzw. Entscheidungsnorm führt zum Konzept der Normstruktur. Diese ist keine dingliche Gegebenheit. Ihre Formulierung drückt die Bauweise der Rechtsnorm aus; das heißt die Tatsache, dass beim Herstellen und Funktionieren des Motivationsmusters „Norm" regelmäßig zu beobachtende Eigenschaften gedanklich unterschieden, typisiert und kontrolliert werden können. Normstruktur ist also nichts, was in der Natur vorkäme, sondern ein wissenschaftliches Interpretationsmodell für die Bedingungen des Zustandekommens und des Funktionierens rechtlicher Vorschriften.
JM I, Rn. 225 f. |
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