start Technische Hinweise glossar • • • lectures schemata suche sitemapimpressum
Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
register
Mehrheitsregel
Als Auswahlkriterium kommt zunächst in Betracht, die Bedeutungsvariante zugrunde zu legen, welche sich mehrheitlich aus den verschiedenen Sprachfassungen ergibt. Es könnte für diese Regel sprechen, wenn der EuGH in einem Urteil von 1987 ausführt, dass „eine vergleichende Untersuchung der verschiedenen sprachlichen Fassungen des Art. 8 a Abs. 2 der Verordnung Nr. 2377/80 der Kommission und des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1182/71 des Rates zeigt, dass die meisten Fassungen dieser beiden Vorschriften einen einzigen Begriff verwenden (...)“. (EuGH, Slg. 1987, S. 3845 ff., 3871) In einem weiteren Urteil hat der EuGH entschieden, dass es dahingestellt bleiben kann, “ob der italienische Ausdruck (...) die Tierärzte einschließen kann, denn alle sprachlichen Fassungen (...) des Art. 13 mit Ausnahme der italienischen und der englischen beschränken die Befreiung von Heilbehandlungen (...); dadurch wird die Behandlung von Tieren aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen.“ (EuGH, Slg. 1988, S. 2685 ff., 2696)

Auch bei der Auslegung technischer Fachbegriffe spielt die grammatische Konkretisierung in der Rechtsprechung des EuGH eine sehr große Rolle. Tatsächlich gibt es auch hier eine größere Anzahl von Entscheidungen, wo die grammatische Konkretisierung klar im Vordergrund des knappen Begründungstextes steht und die anderen Elemente entweder gar nicht oder nur kurz erwähnt werden. Man hat in der Literatur deswegen dem EuGH vorgeworfen, sich auf eine bloß formale Wortlautinterpretation zu beschränken. Eine genaue Analyse der betreffenden Entscheidungen zeigt aber, dass dieser Vorwurf zu kurz greift. In der Entscheidung Röser argumentiert der EuGH zunächst, dass die deutsche Fassung im Unterschied zu denen der überwiegenden Anzahl der anderen Nationalsprachen nicht eindeutig sei. Entscheidende Überlegung ist dann aber nicht die überwiegende Zahl der anderen Varianten, sondern der Zweck der Vorschrift im Zusammenhang der Marktorganisation für Wein, welcher eine strenge Regelung nötig mache. Man kann deshalb folgender Einschätzung zustimmen: „Ein intensives Studium der Urteile verdeutlicht vielmehr, dass der Gerichtshof die sprachlichen Mehrheitsverhältnisse nur als Ansatzpunkt begriffen und deren Ergebnisse an Hand übriger Auslegungsmethoden belegt und gestützt hat.“ Die Mehrheitsregel hat der EuGH für die Lösung von Bedeutungsdivergenzen nie übernommen.

JM II, S. 24 f.
Zum Anfang
Wir sind an Ihrer
Meinung interessiert
info@juristische-methodik.de
Wir freuen uns
auf Ihre Anregungen
Zum Anfang
© RC 2003 ff.