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Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
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rechtsprechende Gewalt
Der Streit um Interpretation und Gebrauch von Texten ist alles andere als ein müßiges Spiel. Die zugrunde liegenden moralischen, politischen und philosophischen Fragen sind zwar in der Literaturwissenschaft und der Sprachphilosophie nicht immer leicht zu entdecken. In der Jurisprudenz dagegen geht es um Gewalt; um richterliche und um sonstige Entscheidungsgewalt, verbunden mit Texten. Die Brisanz von Kontroversen liegt hier klar zutage. Für die Bürger, die sich mit ihren Konflikten in die Hand des Gerichts geben, wird Interpretation und Gebrauch von Rechtstexten zum höchst praktischen Problem. Es stellt sich von Anfang an: professionelles Umformulieren der „lebensweltlichen" Fallerzählung in den juristischen Sachverhalt durch Versicherungsfunktionäre, Rechtsberater, Anwälte (Standesgewalt), durch Polizei, ggf. Staatsanwaltschaft, Gericht (Staatsgewalt). Deren subtile Form besteht hier in Sprachbemächtigung: den Beteiligten wird ihre Sprache durch f autoritative Fachsprache enteignet. In der Folge werden sie sich anpassen bzw. sich die Dienste einer Fachperson mit deren Fachsprache kaufen müssen; in ihrer Sprache werden sich das Verfahren oder der Prozess jedenfalls nicht mehr abspielen.

Wenn Methodik den juristischen Umgang mit Texten reflektieren will, hat sie keine Wahl: sie ist eine politische Disziplin. Ihr Thema ist auch das Verhältnis von bürgerlicher Freiheit und staatlicher Gewalt.

Der Richter übt, wie Artikel 92 der Verfassung unzweideutig erklärt, Gewalt aus. Dabei ist in der deutschen Sprache ,Gewalt' nicht notwendig negativ codiert. Sie kann auch positiv verstanden werden als „Walten" der guten Obrigkeit. Will man die positive und negative Bedeutungskomponente auseinanderhalten, braucht man Beiworte wie legitime / illegitime Gewalt. Im Englischen dagegen kann man schon im Hauptwort nuancieren und power, authority, force und violence unterscheiden. Ob der Richter nun authority oder violence, legitime oder illegitime Gewalt ausübt, soll im Sinn der Tradition davon abhängen, ob er sich mit seiner Entscheidung innerhalb der Grenzen des Rechts hält oder nicht. Die Grenzen des Rechts sind durch Interpretation zu ermitteln. Solange der Richter auslegt, ist demnach die von ihm ausgeübte Gewalt demokratisch legitimiert, denn er kann seine Entscheidung auf ein für alle beschlossenes Gesetz zurückführen. Hört er auf zu interpretieren und verwendet er Texte nur noch zu Machtzwecken, übt er eine illegitime Gewalt aus, die demokratisch nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Die Unterscheidung von bloßer Auslegung und machtfunktionalem Gebrauch trägt damit eine schwere politische Bürde: nicht weniger als die praktische Einlösung des demokratischen Modells hängt davon ab. Die methodische Abschichtbarkeit der Interpretation von machtfunktionaler Benutzung des Gesetzes ist folglich das Nadelöhr, durch das die Unterscheidung von gerechtfertigter und nicht mehr zu rechtfertigender staatlicher Gewalt hindurch muss.

JM I, Rn. 337 ff.
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