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Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
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Bestimmtheitsgebot
Juristische Arbeit am Text des Rechts ist den Geboten der Normklarheit, Justitiabilität und Tatbestandsbestimmtheit unterworfen, welche sich allgemein aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG ableiten und für den Bereich des Strafrechts durch Art. 103 II GG noch einmal ihre besondere Ausprägung erfahren.

Die Klarheits- und Bestimmtheitsgebote der Verfassung gehören mit ihrer Garantie von Rechtssicherheit zum Grundbestand der Rechtsstaatlichkeit als einem der elementaren Verfassungsprinzipien. Durch sie sind die staatlichen Instanzen gehalten, den Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des Bürgers, den jeder belastende Rechtsakt darstellt, in der sprachlichen Fassung eines schriftförmig vertexteten Rechts vorhersehbar, durchschaubar und berechenbar zu gestalten. Die Klarheit und Bestimmtheit der Vertextung von Recht sowie die verbindliche Ausrichtung staatlichen Handelns darauf sollen den Bürger in die Lage versetzen, dessen Art, Umfang und Tragweite einschätzen und sich in seinem Verhalten darauf einrichten zu können. Auf diese Weise hat die Klarheit und Bestimmtheit der Textfassung von Recht zur Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer der Voraussetzungen für die Legitimierung staatlicher Gewalt und einer Rechtlichkeit von Recht' beizutragen. Durch sie werden die Einschränkungen und Einbußen, die die Möglichkeiten des Bürgers zur eigenen Lebensgestaltung durch rechtliche Regelungen und rechtsförmige Entscheidungen erfahren, ihrerseits einer rechtlichen Kontrolle zugänglich, und werden Beliebigkeit oder Will kür von Übergriffen staatlichen Handelns als Verletzung einer Rechtspflicht auch förmlich angreifbar.
In ihrer Funktion einer möglichst einklagbaren Gewähr von Rechtssicherheit betreffen die Klarheits- und Bestimmtheitsgebote der Verfassung an erster Stelle die Rechtsprechung. Die Gerichte setzen mit ihren Entscheidungen sozialer Konflikte für den Rechtsunterworfenen belastende Akte. Sie haben diese dadurch absehbar und nachvollziehbar zu machen, dass sie ihre Urteile auf der Grundlage einschlägiger Normtexte und eine diesen methodisch zurechenbare Formulierung von Rechtsnormen fällen. Und sie haben für den Rechtsunterworfenen dadurch berechenbar zu bleiben, dass sie die Interpretationen zur Erarbeitung und Begründung ihrer Judikate methodisch transparent in den mit dem Normtext zu ziehenden Grenzen halten. Weder dürfen die Gerichte diese Grenzen aus Opportunitätsgründen durch den Rückgriff auf normgelöste Gesichtspunkte unterlaufen und damit nach ihrem Belieben entscheiden, noch aus Legitimierungsnöten durch die Kreation eigener Normtextschöpfungen überbieten und damit aus deren Willkür entscheiden.

Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, mit seinen Normtextsetzungen solche Grenzen einer Rechtserzeugung durch die Gerichte zu ziehen. Zugleich obliegt es ihm, geeignete Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dem politischen Souverän wird zwar eine weitgehende Gestaltungsfreiheit dabei eingeräumt, seine Ordnungsvorstellungen in rechtlichen Regelungen festzuschreiben und durch den Erlass entsprechender Vorschriften in Geltung zu setzen. Solange er sich in dem ihm durch die Verfassung abgesteckten Rahmen bewegt, steht es dem Gesetzgeber weitgehend frei, Normtexte auf die Eigenheiten der zu regelnden sozialen Verhältnisse und „Lebenssachverhalte" einzurichten. Es liegt weitgehend in seiner Hand, die Abfassung von Normtexten auf den von ihm ins Auge gefassten Regelungszweck abzustellen und sich dabei von Gesichtspunkten der Funktionalität und Praktikabilität leiten zu lassen. Ihre Grenzen findet solche Gestaltungsfreiheit aber dort, wo eine ganz unklare, missverständliche oder in sich widersprüchliche Fassung von Normtexten die Konturen rechtlicher Regelungen im proklamativ Unverbindlichen verschwimmen lässt, bzw. wo sie den Versuch vereitelt, dem Text als Regelformulierung Handlungsrelevanz abzugewinnen. Die „Betroffenen", also die Normadressaten und Teilnehmer am Rechtsverkehr, müssen sich anhand der Sprachgestalt des Normtextes wenigstens in Umrissen ein Bild von der Rechtslage machen können. Sie müssen die ihnen daraus erwachsenden Folgen ermessen und ihr Verhalten daran orientieren können. Und der Normtext muss in seiner Begrifflichkeit den „Betreffenden", nämlich den rechtlich zuständigen Amtsträgern, wenigstens in den Grundzügen der Regelungsmaterie und des Regelungszwecks einen Bezugsrahmen dafür bieten, elaborierte und plausibel zurechenbare Rechtsnormen hervorzubringen und sie als legitime juridische Entscheidungen über andere durchzusetzen.

JM I, Rnn. 163 ff.
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