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Recht&Sprache Recht und Sprache
Linguistik Rechtslinguistik: Sprache des Rechts
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subjektive Auslegungslehre
Kann man wirklich die Bedeutung eines Textes mit dem Willen seines Autors gleichsetzen?

Bei der Vorstellung, hinter dem Gesetz stehe ein formierender Wille, den der Normtext dann erst nachträglich verkörpert, wird die Sprache auf ein bloßes Ausdrucksmedium ohne Eigengewicht reduziert. Wenn man dieses vom Repräsentationsgedanken behauptete Modell eines vor-ausdrücklichen Willens und seiner dann erst nachträglichen Verkörperung ernst nimmt, muss man die Frage stellen, welche Seite bei dieser Verknüpfung denn die eigentlich maßgebende ist. Diese Frage betrifft das grundlegende Problem einer Lehre, nach der die Textbedeutung durch die Absicht des Textproduzenten festgelegt wird. Eine Absicht ist immer etwas Bestimmtes, und eine bestimmte Absicht kann man nur im Rahmen einer bestimmten Sprache haben. Das heißt, dass die Absicht nicht vom Sprachsystem unabhängig ist, sondern sich in dieses einschreibt. Daher kann man nicht von einer vor-ausdrücklichen Intention auf die Bedeutung des Textes schließen, sondern nur umgekehrt von der Bedeutung eines Textes zurück auf die Intention. Die Bedeutung eines Textes kommt nicht, wie die subjektive Auslegungslehre es voraussetzt, so zustande, dass der Textproduzent irgendwelche bedeutungsverleihenden Akte ausführt; sondern die Intentionalität des Textproduzenten muss an ein bestimmtes System sprachlicher Bedeutungen anknüpfen. Aus diesem Grund kann der gesetzgeberische (oder „auktoriale“) Wille nicht als Archimedischer Punkt außerhalb der Sprache angesehen werden, welcher gegenüber der Vielfalt der Interpretationen den identischen Textsinn wahrt. Der vor-ausdrückliche Wille kann sich mit dem Normtext nur nach Maßgabe einer Ordnung verknüpfen. Diese Ordnung muss als Struktur formulierbar sein und ist damit auf Bedeutung und Sprache verwiesen. Damit kommt die angeblich äußerliche sprachliche Form der vorgeblich reinen Innerlichkeit des Willens zuvor. Wittgenstein hat dementsprechend an verschiedenen Sprachspielen gezeigt, dass es nicht möglich ist, Meinen oder Wollen als von Sprache unabhängigen Akt zu vollziehen. Das Wollen ist kein privater Akt reiner Innerlichkeit; sondern es wird Subjekten im Kommunikationsprozess aufgrund bestimmter Kriterien zugeschrieben, die ihrerseits ein Sprachspiel eigener Art darstellen. Als Ursprung seines Ausdrucks kommt der Wille immer zu spät. Tatsächlich hat die auktoriale Intention nie einen rein individuellen Status; sie kann nur einer sprachlichen Konvention folgend formuliert werden, deren Gesamtzusammenhang sie nie vollständig überblickt.

JM I, Rnn. 361° ff.
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