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restriktive Auslegung
Savigny hat seine Auslegungsregeln für das Zivilrecht und das Kriminalrecht formuliert. Die Brauchbarkeit seiner canones für das Staats- und Verfassungsrecht ist bis heute nicht grundlegend überprüft worden. Faule de mieux wurden die canones von verfassungs- (und verwaltungs-)rechtlicher Praxis und Lehre übernommen. Daher ist für verfassungsrechtliche Methodik die Rückwendung zu Savigny prekär. Die Berufung auf seine Regeln für das Verfassungsrecht kann sich jedenfalls nicht auf Savigny berufen. Dazu kommt, dass die von herrschender Meinung und Praxis als klassisch ausgegebenen Interpretationsaspekte, auf die sich auch das Bundesverfassungsgericht in programmatischen Bekenntnissen zurückziehen will, bei Savigny zum Teil anders umschrieben und teilweise abweichend beurteilt werden. Der frühe Savigny bezeichnet als Aufgabe der Interpretation die „Rekonstruktion des Gedankens, der im Gesetz ausgesprochen wird, insofern er aus dem Gesetz erkennbar ist". Der Interpret müsse sich „auf den Standpunkt des Gesetzgebers setzen und so künstlich dessen Ausspruch entstehen lassen". Die Interpretation müsse, um dahin zu gelangen, mit vier Mitteln arbeiten: dem logischen, dem grammatischen, dem historischen und dem systematischen. Extensive und restriktive Interpretation, also eine Auslegung, die den Wortlaut des Gesetzes gemäß seinem Zwec erweitert oder einschränkt, wird abgelehnt. Nach Savigny darf der Gesetzeszweck nicht selbst wie eine Regel angewandt werden. Der Interpret darf das Gesetz nicht fortbilden. Er darf es nur nachvollziehen: „Eine Vervollkommnung des Gesetzes ist zwar möglich, allein bloß durch den Gesetzgeber, nie durch den Richter darf sie vorgenommen werden" (Savigny, E. v.: Juristische Methodenlehre). Savigny verwirft damit ausdrücklich die sogenannte Ideologische Interpretation, die von der herrschenden Meinung zu den „klassischen Methoden" gerechnet und in der Praxis wegen ihrer „zweck"elastischen Geschmeidigkeit bevorzugt wird.

Der spätere Savigny, der den „Volksgeist", die gemeinsame Rechtsüberzeugung des Volkes statt des positiven Gesetzes als die eigentliche Rechtsquelle ansieht, spricht in seinem „System" von 1840 den Rechtsnormen - unbeschadet ihrer begrifflichen Ausarbeitung - „in der Anschauung des Rechtsinstituts ihre tiefere Grundlage" zu. Er beschränkt das begriffliche Denken auf die Erfassung der unumgänglichen abstrakten Rechtsregeln in der Weise der formalen Logik. Damit eröffnet er einen Weg, der, wenn auch nicht immer gradlinig, über Puchta, Jhering und Gerber zu Laband führt. Dagegen vermochte er sein eigentliches Anliegen, gegenüber den einzelnen Rechtsregeln das durch Anschauung erfassbare Rechtsinstitut als ein Sinnganzes in den Vordergrund zu rücken, auf dem Weg methodischer Differenzierung nicht hinreichend klar zu machen. Die Rechtsnormen sollen nach ihm nicht aus sich verstanden werden können, sondern nur aus der Anschauung des Rechtsinstituts, das dem Gesetzgeber beim Akt der Legislation als „organisches" vorschwebte, aus dem er durch einen „künstlichen Prozess die abstrakte Vorschrift des Gesetzes bilden" musste. Der Interpret soll „durch einen umgekehrten Prozess den organischen Zusammenhang hinzufügen, aus welchem das Gesetz gleichsam einen einzelnen Durchschnitt darstellt". Die konstitutive Rolle des Sachbestandteils rechtlicher Vorschriften, die Strukturierung der Rechtsnorm nach Normbereich und Normprogramm, ist der Sache nach in dieser genetischen Beschreibung angedeutet. Diese Seite seines späteren Ansatzes findet sich jedoch im „System" von 1840 weniger deutlich ausgearbeitet als die dann zum Positivismus und zur konstruktiven Begriffsjurisprudenz führende. Wie in der Frühschrift gibt Savigny auch im „System" vier Auslegungsarten an: die grammatische, die logische, die historische und die systematische. Nicht im Gesetzespositivismus, wohl aber noch bei Savigny ist die Einsicht leitend, dass diese Gesichtspunkte weder je selbständig noch scharf umgrenzbar sind. Vor aller positivistischen Verdinglichung und Verhärtung der canones bezeichnete Savigny die grammatischen, logischen, historischen und systematischen Hilfsaspekte ausdrücklich nicht als „Arten der Auslegung", sondern als „Elemente" eines einheitlichen Auslegungsvorgangs, als „verschiedene Tätigkeiten, die vereinigt wirken müssen, wenn die Auslegung gelingen soll". Ihr gegenseitiges Verhältnis richtet sich bei ihm nach der sachlichen Eigenart des zu entscheidenden Falls.

Ausdehnende wie einschränkende Auslegung werden nunmehr zur Berichtigung eines mangelhaften Ausdrucks im Normtext zugelassen. Der Gesetzeszweck wird auch jetzt noch als „vom Inhalt des Gesetzes getrennt" vorgestellt. Seine Verwendung im Geschäft der Auslegung soll, wenn auch „nur mit großer Vorsicht", zulässig sein. Bei Unbestimmtheit des im Normtext enthaltenen Ausdrucks sollen der „innere Zusammenhang der Gesetzgebung" und - soweit nachweisbar - der spezielle Zweck des Gesetzes herangezogen werden. Ist ein solcher nicht belegbar, so darf auf einen „allgemeinen Grund" im Sinn des später so genannten „allgemeinen Rechtsgedankens" zurückgegriffen werden.

JM I, Rnn. 92 ff.
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